Märchenhafter Gamengrund

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Besuch von Väterchen Frost

Als Berlinerin bin ich bin schon immer wahnsinnig gerne nach Strausberg gefahren. Das kleine Städtchen in Märkisch Oderland liegt gleich hinter der Berliner Stadtgrenze und ist wunderbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Bevor ich anfing die vielen Seen im Brandenburger Land mit dem Rad zu entdecken, zog es mich im Sommer oft hierher. Straussee, Fängersee und Bötzsee waren auch zu Fuß erreichbar und schon immer idyllische und klare Badeparadiese, die auch im Sommer selten überlaufen waren. Mein Herz schlug besonders für das kleine historisches Strandbad von 1925 mit seiner blau-weiß gestrichenen Holzfassade. Wenn man hingegen etwas ruhiger baden mochte, überquerte man einfach mit der alten Seilfähre den See und hielt am anderen Ufer nach einer kleinen einsamen Badebucht Ausschau. Ich habe viele schöne Erinnerungen an so manchen Strausberger Sommertag. Im Winter herzukommen war nun eine Premiere. Wir lieben auch die Nebensaison und wenn Petrus einen herrlichen sonnenverwöhnten Wintertag vorhersagt, geht es für uns raus! Komoot machte uns mit einem Newsletter Lust auf eine Tour rund um den Gamensee. Die Planung der 36 km langen Tour nahm ich blitzschnell selber in die Hand. Zwar kündigten zahlreiche Hinweise eine mittelschwere Geländetour über zahlreiche Feldstraßen und Wanderwege an, aber mangelnde Radwege hielten uns eigentlich noch nie von Wunschstrecken ab. “Na, die Fahrräder werden es schon mitmachen.” sage ich mir jedes Mal, wohlwissend, dass die schönsten Naturerlebnisse abseits vielbefahrener Strecken liegen. Gegen 9 Uhr erreichen wir an diesem kalten Dezembertag ein frostiges und leicht bezuckertes Strausberg. Die Natur hat uns für das frühe Aufraffen in hohem Maße belohnt. Unsere Tour startet verzögert, da wir diese vergängliche Schönheit noch ausführlich mit der Kamera dokumentieren müssen. Die Kraft und Wärme der gerade aufgegangene Sonne ermahnt uns, dass uns nur noch wenig Zeit bleibt, bevor die Eiskristalle wieder vergehen.

Die verlassene Wesendahler Mühle

Wir verlassen das Ufer des Straussee und nehmen Kurs auf das beschauliche Wesendahl, das überregional vorallem durch sein reiches Angebot an Selbstpflücke von Süß- und Sauerkirschen, Pflaumen, Äpfeln und Erdbeeren bekannt ist. Wesendahl ist aber auch ein waldreiches Wanderparadies, das mit einem traumhaft schönen See und einem kleinen Waldbach gesegnet ist. Auf einem breiten Forstweg fahren wir durch den sonnendurchfluteten Kiefernwald zur malerisch gelegenen Wesendahler Mühle nahe des Fängersee. Die Mühle ist eine der ältesten noch existierenden Wassermühlen des Landes Brandenburg. Ein weiterer touristischer Anziehungspunkt, den wir heute aber nicht eingeplant haben, ist der Pferdehof mit weißen Camarguepferden, eine der letzten Wildpferderassen Europas. Es dauert nicht lang und wir stehen vor der vor über 800 Jahren hier gegründeten Mühle. Leider steht sie still, und schlimmer noch, sie ist in einem beklagenswerten Zustand und steht bereits lange leer. Auch das wunderschöne große Mühlenrad hat massiv an Rost angesetzt, und das traditionsreiche Ausflugslokal, gibt es schon seit vier Jahren nicht mehr. Vom Biergarten mitten im Wald, ist nur ein Schild übrig geblieben.

Grüße aus der Eiszeit

Unser Weg führt uns auf schönen, unbefestigten Wegen durch vergleichsweise ursprüngliche Natur in den Gamengrund, einer eiszeitlichen Schmelzwasserrinne von 30 km Länge. Die Landschaft hier ist wellig bis teilweise extrem hügelig und Teil eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Brandenburgs. Die Vielfalt des Waldes mit seinen Eichen, Buchen, Lärchen und Kiefern ist groß und stellenweise kommt es einem vor, man befinde sich in einem Gebirge. Die Bäume reichen bis unmittelbar an die Ufer der 20 Gamengrunder-Seen, die Reste abgeschmolzenen Gletscher aus der letzten Eiszeit sind. Da sich dieser Graben nicht gut zu irgendeiner Nutzung eignete, finden man hier weitgehend noch unberührte Natur. Wer für einen Tag die Ruhe und den Abstand vom Großstadtgetümmel sucht, ist hier genau richtig. Wir sind ganz verzaubert von der vielfältigen Naturschönheit und Waldromantik, die wir hier so nicht erwartet haben. Doch Obacht: die idyllisch anmutenden Seen liegen in einer sumpfigen Niederung und sind daher oftmals unzugänglich. Wer hier mit dem Rad unterwegs ist, muss sich auf querliegende Bäume und aufgeschwemmte Wege einstellen. Bevor es weiter Richtung Gamensee geht, lohnt noch ein kleiner Abstecher ins Dorf Hirschfelde bei Werneuchen. Imposant ist u.a. die Hirschskulptur in der Mitte des kleinen Angerdorfes. Der Berliner Unternehmer und Kunstförderer Eduard Arnold kam Anfang des 20. Jahrhunderts nach Hirschfelde und ließ in seinem Gutspark viele solcher Skulpturen aufstellen. Leider wurde der Park nach dem Zweiten Weltkrieg komplett geplündert und nur der Hirsch ist erhalten geblieben. Sehenswert in Hirschfelde sind u.a. der frei zugängliche Gutspark samt Herrenhaus sowie ein alter Wasserturm, der sich heute in Privatbesitz befindet. Über eine Feldsteinstraße geht es anschießend wieder zurück in den wilden Gamengrund.

Eine schimmernde Perle

Zwischen Hirschfelde und Gamensee liegt ein landschaftlich besonders schöner Abschnitt. Als wir durch die tiefen Schluchten radeln, auf eine plötzlich auftauchende Nebelwand treffen und sogar das Thermometer um einige Grad fällt, kommt eine fast märchenhafte Stimmung auf. Hier wäre es mir alleine fast schon unheimlich. Endlich erreichen wir unser Ziel: den glasklaren Gamensee. Hier begegnen wir zum ersten Mal seit der Wesendahler Mühle wieder Menschen, die das schöne Winterwetter für einen kleine Seeumrundung nutzen. Hinweisschilder erklären, dass der Weg Teil der sogenannten 66-Seen-Wanderung ist – mit 400 km Länge wohl eher etwas für Wanderprofis. Der See ist eine richtige Perle und gehört zu den schönsten der Region. Schon seit den 30er Jahren ist der Gamensee ein beliebter Ausflugsort der Berliner. Auf der Höhe von Tiefensee finden Wasserraten eine schöne Badestelle, die Teil des international bekannten Zeltplatzes "Country Camping" ist. Aufgrund der vielen Spaziergänger an diesem Nachmittag, kommen wir mit dem Rad nur langsam voran. Fast 40 min benötigen wir für die komplette Umrundung des Sees. Leider ist der Weg zurück nach Strausberg wenig idyllisch, an der viel befahrenen Tiefensee Chaussee führt leider kein Weg vorbei. Wir versuchen noch einige Abzweigungen über kleine Ortschaften einzubauen, aber der Wege über die alten mit Feldsteinen gebauten Lindenalleen ist mühsam und geht in Arm und Bein. Der schöne Ausblick ist allerdings tröstlich. In Gielsdorf wartet noch eine kleine Brandenburger Schönheit auf uns – der historische Uhrenturm. Dieser wurde vor einigen Jahren von einer engagierten Dorfgemeinschaft gerettet und saniert. Der Turm wird ein goldenes Abschlussmotiv unseres winterliches Ausflugs, der uns gleichermaßen gefordert wie beglückt hat.


Die einzigartige Natur die wir im Gamengrund entdecken durften, wird uns noch lange im Gedächtnis bleiben. Spätestens im Frühjahr möchten wir den östlichen Teil des Waldes, den Blumenthal, entdecken, wenn Maiglöckchen, Glockenblumen und viele Ginsterbüsche überall im Wald erblühen und auch im Sommer nochmal per Draisine durch diesen Landstrich reisen. Wir haben hier noch lange nicht alles gesehen…

Dani PensoldComment